Du kennst sie 100%ig aus Seminaren, in denen Du selbst als Teilnehmer saßt:
Diese Menschen, die zu viele Fragen stellen. Die diese Fragen zu ausschweifend formulieren. Die zu viele und zu lange Geschichten von sich und ihrem Hund erzählen. „Also, bei uns ist das ja so…“.
Es gibt sie regelmäßig, solche Teilnehmer. Und nun bist Du Hundeunternehmer, stehst selbst vor Gruppen und bist eben dieser Referent, der von den empathischen, ruhigen Teilnehmern angeschaut wird mit der stummen Frage, wann Du ihm Einhalt gebietest:
Dem Vielredner.
Warum ist der Vielredner ein Vielredner?
Der Versuch einer kleinen Charakterstudie.
Die Symptome eines Vielredners habe ich eben beschrieben:
- Er nimmt in einer Gruppe überproportional Raum ein und beansprucht den Trainer/Referenten stark für sich.
- Er scheint sich nicht um die Bedürfnisse der anderen Teilnehmer zu kümmern und stellt jede Frage, die ihm wichtig erscheint und die ihm durch den Kopf geht.
- Er scheut sich nicht, zu den Fragen Geschichten mit viele Details zu erzählen.
- Er scheint wenig empathisch zu sein und kein Gefühl dafür zu haben, wann er den Zeitrahmen sprengt oder den anderen Teilnehmern Raum wegnimmt.
Weshalb jedoch zeigt ein Mensch diese Symptome? Dafür gibt es verschiedene Erklärungen:
- Der Selbstdarsteller: „Ich weiß es besser. Das habe ich alles schon erlebt.“
- Der Einsame: „Ich möchte gehört werden. Endlich versteht mich jemand.“
Der Selbstdarsteller redet, weil er sich so gerne reden hört. Er hat die interessanteren Erfahrungen gemacht und muss daher unbedingt eigene Anekdoten beisteuern. Seine Meinung ist so wichtig, dass sie zwingend zu jedem Aspekt gehört werden muss. Er kennt das alles im Grunde schon und ist nur da, um zu schauen, ob es nicht doch noch etwas Neues zu lernen gibt. Gibt es nicht – er weiß das alles schon. Oft auch besser als der Referent selbst. Dem Selbstdarsteller geht es um sein Ego, das er füttern und stärken möchte, indem er seine Kompetenz und Erfahrung zeigt. Er möchte belehren oder einfach nur seine Geschichte loswerden. Diese Menschen haben einen starken Geltungsdrang und das Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen.
“Vielredner wollen gehört werden. Und befriedigen dabei unterschiedliche Bedürfnisse, die sie haben.“
Der Einsame ist froh, dass da jemand ist, der ihm nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lässt und für den er wichtig ist. Oft sind dies Menschen, die viel alleine sind oder niemanden haben, bei dem sie das Gefühl haben, sich öffnen zu können. Vielleicht fühlen sie sich auch im Alltag und/oder Job untergebuttert und kommen dort nicht zum Zuge. Nun sind sie in einer Situation, in der sie eine gewisse Bedeutung einnehmen – schon per definitionem, denn sie sind Teilnehmer Deiner Veranstaltung und haben somit (endlich einmal!) ein gewisses Anrecht darauf, gehört zu werden. Endlich können sie sich einmal etwas von der Seele reden. Sie nehmen sich nicht die Bühne, weil sie sich so toll finden, sondern weil sie sich dadurch etwas besser und wichtiger fühlen. Sie haben ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung und holen sich so Streicheleinheiten für ihre Seele.
Die bellen nur, beißen aber nicht.
Das Wichtige an Vielrednern: Sie meinen es nicht böse, wenn sie sich verhalten, wie sie sich nun mal verhalten. In ihrer Welt geht es halt um sie. Nicht um die Gruppensituation, die anderen Teilnehmer oder Dich als Referenten oder Trainer. Es geht um sie – aus den unterschiedlichsten Gründen: Um ihr Ego zu polieren, Aufmerksamkeit zu bekommen, Unsicherheit zu überspielen oder etwas tiefgreifend zu verstehen.
Nicht einmal der Selbstdarsteller, sicherlich der unangenehmste Typus des Vielredners, hat die Absicht, Dich aus dem Konzept zu bringen, weil er Dir etwas Böses möchte. Er unternimmt nichts gegen Dich, sondern macht etwas FÜR sich. Er versucht, ein Bedürfnis zu befriedigen. Das tun wir alle, den ganzen Tag, mit jeder einzelnen Handlung, die wir ausführen, und jedem einzelnen Satz, den wir sagen. Seine Taktik zur Befriedigung seines Bedürfnisses ist einfach nur sehr unangenehm für alle anderen Menschen drumherum. Etwas Böses möchte er Dir oder den anderen jedoch nicht.
“Selbstdarsteller oder einsam? Der Vielredner redet, um gehört zu werden. Er tut etwas für sein Wohlbefinden. Auf Kosten aller anderen.”
Was Vielredner in der Regel mitbringen, ist eine gewisse Ich-Bezogenheit und dafür wenig oder keine Empathie. Empathie (die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen einzufühlen) würde sie merken lassen, dass sie Unmut hervorrufen und sich andere Menschen in ihrer Gegenwart unwohl oder hilflos fühlen. Den meisten Vielrednern ist das überhaupt nicht bewusst.
Und ja, manchen ist es sicherlich schlichtweg egal. 😉
Dein Anteil daran, dass Du einem Vielredner zuhörst
An einer Kommunikation sind immer zwei Parteien beteiligt. Selbst wenn die Kommunikation aus einem Monolog besteht, nehmen zwei Menschen daran teil: Der Vielredner und der Gegenüber, der das zulässt und sich als Empfänger dieses Monologs zur Verfügung stellt.
Das Dumme ist: Wir Hundeunternehmer zeichnen uns in der Regel durch ein hohes Maß an Empathie aus. Es ist quasi unser Job, sich in unseren Gegenüber hineinzuversetzen und seine Gefühle nachzuvollziehen. Als Dienstleister sind wir beratend tätig. Ein guter Berater hört zu, versteht, fragt nach, gibt Raum und stellt seinen Kunden in den Mittelpunkt des Gesprächs.
“Zuhören und ein guter Berater sein? Das Schlimmste, was Du tun kannst!“
Nur… all das ist das Schlimmste, was man mit einem Vielredner machen kann. Das ist Wasser auf seinen Mühlen und bringt ihn erst so richtig schön in Fahrt: Je mehr Empathie und aktives Zuhören er bekommt, desto mehr fühlt er sich bestärkt und umso mehr Raum nimmt er sich. Das, was also eigentlich Dein großes Plus ist und Dich als Hundeunternehmer besonders macht – nämlich auf den Kunden einzugehen, ihm Raum zu geben und ihn großartig zu beraten – ist bei einem Vielredner in einer Gruppensituation völlig fehl am Platz und führt Euch nur tiefer in die unangenehme Situation hinein.
Jetzt sei doch mal unhöflich!
Im Umgang mit einem Vielredner gilt es, die eigenen Prinzipien flexibel anzupassen. Und manchmal auch über Bord zu werfen. Sei das, was Du eigentlich als unhöflich bezeichnen würdest: Unterbrich. Gehe nicht auf das ein, was der Vielredner gesagt hat. Nur durch Unterbrechen und das ganz klare und stringente Verfolgen Deines roten Fadens hast Du Kontrolle über die Gesprächsführung.
Dass Du einen Vielredner vor Dir stehen hast – dafür kannst Du nicht viel. (Okay, man könnte sich einmal Dein Marketing anschauen und hinterfragen, ob Du damit diesen Menschentypus durch Deine Außendarstellung besonders anziehst. Aber davon abgesehen, kannst Du nichts dafür, dass er nun mal vor Dir steht.)
Wie Du mit der Situation umgehst, das liegt völlig in Deiner Hand. Ja, es ist herausfordernd, mit einem Vielredner umzugehen. Ja, es widerspricht unserem Selbstverständnis, wie wir einen Kunden idealerweise behandeln möchten. Und ja, Du zeigst Verhaltensweisen, die in anderen Situationen unhöflich wären. Hier jedoch nicht! Denn es ist genauso unhöflich, das Gespräch zu dominieren, den anderen Teilnehmern Redezeit wegzunehmen und die Veranstaltung an sich zu reißen, anstatt dem Trainer oder Referenten die Führung zu überlassen.
“Höflich zu einem zu sein, bedeutet, unhöflich zu allen anderen zu sein”,
Und es ist mehr als unhöflich, wenn Du den anderen Teilnehmern nicht die Veranstaltung bietest, die Du ihnen versprochen hast, weil Du nicht das Rückgrat hast, diesem einen Menschen Einhalt zu gebieten. Das ist nicht nur unhöflich, sondern unprofessionell. Es wird Kunden verärgern und es wird sich herumsprechen. Es ist Deine verdammte Pflicht, den Vielredner, der drauf und dran ist, die Gruppe und Dein Konzept zu sprengen, in den Griff zu bekommen. Denn in so einer Situation bedeutet höflich zu dem einen zu sein, dass Du unhöflich zu allen anderen bist: Wenn Du den Vielredner höflich aussprechen lässt, bist Du unhöflich zu allen anderen Teilnehmern, die keine Aufmerksamkeit und zu wenig Zeit bekommen.
Einer Gruppe Inhalte zu vermitteln – egal ob in einem Vortrag, Webinar, Workshop oder Gruppenkurs – erfordert Führungsqualitäten. Es ist wichtig, dass Du diese entwickelst und in abrufbereiten Strategien in Deinem Methodenköfferchen dabei hast, um sie souverän und professionell einzusetzen. Du hast die Verantwortung dafür, dass jeder einzelne Teilnehmer der Gruppe möglichst viel aus jedem einzelnen Termin mit Dir mitnimmt.
Alles, was Du tust, muss das Wohl der Gruppe im Blick und zum Ziel haben.
Deshalb vergiss bitte nicht:
Höflich zu einem zu sein bedeutet, unhöflich zu allen anderen zu sein.
Sei unhöflich, und zwar professionell unhöflich.
Alle anderen Kunden werden es Dir von Herzen danken und Dich als kompetenten und vertrauenswürdigen Trainer und Referenten ansehen.
Alles Liebe und bis bald,
Tina
Bild: Sarah Both mit Alma, bothshunde.com, Art is Passion Photodesign by Silvia
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