Übergriffig, herablassend, ich-bezogen.
Sätze um die Ohren gehauen zu bekommen, die anmaßend sind, eine Grenze überschreiten und (Vor)Urteile beinhalten, die jeglicher Basis entbehren. Warum machen Menschen so etwas?
5 Erklärungsversuche habe ich dafür. Hier sind Nummer drei und vier:
- Weil manche Berufe einen falschen Eindruck vermitteln.
Dein Gegenüber verbringt seine Freizeit mit seinem Hund. Wann immer er sich mit seinem Hund beschäftigt, ist er im Freizeitmodus. Für viele Hundehalter ist der Hund sogar das liebste Freizeit-Hobby.
Ja, manchmal ist es auch ein To Do, das man mit seinem Hund erledigen muss – gerade wenn es um weniger erfreuliche Themen geht, mit denen man zum Tierarzt, Physiotherapeuten oder Ernährungsberater geht, weil es dem Hund nicht gut geht. Nichtsdestotrotz: All das passiert in der Freizeit Deines Kunden. Jenseits von Büromief, Fließband, Papierkram, To Do-Listen, Kollegen und Chefs.
“Meine Freizeit kann kein “richtiger” Beruf sein.”
Mit seiner Aussage projiziert Dein Gegenüber quasi seine Wahrnehmung auf Dich: Nämlich, dass er Deinen Job nicht als Job wahrnimmt, sondern als Freizeitgestaltung. Folglich muss es sich für Dich auch wie Freizeit anfühlen, so seine Annahme. Du bewegst Dich mit Deinem Job in einem Thema, was Dein Gegenüber mit Freizeit assoziiert. Das ist zwar sehr Ich-bezogen, was Dein Gegenüber da macht, aber hey – so sind Menschen nun mal. Manche mehr, manche weniger. 😉
Mit der Freizeit-Assoziation befinden sich Hundeunternehmer-Jobs in guter Gesellschaft. Es gibt noch viele Jobs mehr, die mit ähnlich unbedachten Kommentaren gesegnet sind, wie z.B. Lehrer/Trainer im Fitness- oder Sportbereich, Privatlehrer für Musik und jegliche Form von künstlerischen Berufen. Eben Dienstleistungen, die Menschen als ihr Hobby bzw. in ihrer Freizeit wahrnehmen. Dazu kommen Berufe, in denen Menschen scheinbar „nur“ das machen, was wir alle ja sowieso den ganzen Tag machen: Kinder erziehen, reden und Ratschläge geben, kochen und backen. Deshalb kann auch jeder Erzieher oder Lehrer sein, Berater oder Coach oder einen Gastronomiebetrieb eröffnen – schließlich schmeckt es meinem Besuch immer („ich kann kochen“) und ich weiß selbst sehr genau, was mir bei einem Restaurantbesuch gefällt oder nicht („Ich weiß, was man tun muss, damit ein Restaurant erfolgreich läuft“.). Du wirst wahrscheinlich nicht so denken, weil Du (als Leser dieses Themas) genau weißt, dass noch viel mehr dahinter steckt als die berühmte, sichtbare Spitze des Eisbergs. Aber es gibt eben viele Menschen, die so denken und die die Freizeit- oder „Dazu muss man nichts Besonderes können“-Assoziation als Grundlage nehmen, um über einen Job zu urteilen.
- Weil sie in ihrer eigenen Welt leben. Und diese rechtfertigen müssen.
Jeder Mensch hat ein volles Leben. Jeder Mensch kämpft damit, alle Anforderungen, die es in seinem Leben gibt, unter einen Hut zu bringen und möglichst gut zu erfüllen. (Fast) Jeder Mensch hat Dinge in seinem Leben, die er nicht so toll findet und gerne ändern würde – der eine mehr, der andere weniger.
Nun trifft ein solcher Mensch auf Dich. Und Du wirkst (zumindest meist) glücklich und zufrieden mit dem, was Du tust. Du wirkst (auch das meist) nicht so, als würde Dich Deine Arbeit stark belasten (unter anderem, weil Du professionell bist, siehe oben). Wenn ein Mensch nun, da er Deinen Job erfährt, eine Bemerkung fallen lässt á la „Ach, Du bist Dogwalker? Na, das ist ja was – den ganzen Tag mit Hunden spazieren gehen und dafür auch noch Geld bekommen.“ – was sagt uns das dann?
Vielleicht, dass dieser Mensch neidisch auf das ist, was Du tust. Sicherlich ist Neid nicht bei allen Menschen, die solche Sätze fallen lassen, der Beweggrund, aber bei einer eklatanten Zahl. Neid darüber, dass Du den Mut hattest, einen Job zu ergreifen, der Dir Spaß macht. Neid darüber, dass Du Dich nicht mit dem rumärgern musst, was ihm das Leben schwer macht: Langweilige oder zu anspruchsvolle Aufgaben, starre Arbeitszeiten, ein tyrannischer Chef, unangenehme Kollegen. Neid darüber, dass Du Dich daraus befreit hast.
Was in Deinem Gegenüber vorgeht, ist Folgendes:
Ich bin in der Jobsituation XY. Du (Hundetrainer) stehst vor mir, strahlst mich an und wirkst zufrieden. Das kann ja nur daran liegen, dass Dein Job so viel einfacher ist als meiner und darüber hinaus auch gar kein richtiger Job ist. Ich habe einen viel schwierigeren, anspruchsvolleren, anstrengenderen Job als Du, das ist der Grund für mein stressiges, volles Leben und für meine Unzufriedenheit mit meiner Arbeit. Denn… wenn es nicht daran liegen würde… dann müsste ich mich ja damit auseinandersetzen, dass ICH der Grund für meine Unzufriedenheit bin. Dass es in meiner Hand liegt, ob ich in dem unbefriedigenden Job bleibe oder etwas verändere. Wenn ich dieser Tatsache ins Auge blicken würde… Na, das wäre ja doof. Dann wäre ich nicht mehr Opfer der Umstände, sondern Verursacher meiner Misere.
“Meine Welt ist nicht rund. Es schmerzt, dass Deine Welt nicht auch un-rund ist.”
Unterbewusst wissen Menschen das, davon bin ich überzeugt. Sie wissen, dass sie etwas ändern könnten. Dass es in ihrer Hand liegt. Und sie wissen, dass vor ihnen die Verkörperung dessen steht, was sie sich nicht trauen. Oder wofür sie zu bequem sind. Oder zu ängstlich. Die Verkörperung dessen, wonach sich ein Teil in ihnen sehnt.
Das nagt an ihnen. Und das Verharren in ihrer Situation müssen sie irgendwie rechtfertigen. Indem sie Gründe finden, warum es dem anderen ja so viel leichter gemacht wurde, seinen Traum zu leben. Oder warum der Job an sich gar nicht anspruchsvoll oder schwierig ist – eben gar kein richtiger Job, den man wertschätzen sollte. Wenn der eigene Job wertvoller, anspruchsvoller, schwieriger ist, dann fühlt man sich schließlich gleich besser, oder?
Morgen schauen wir uns den fünften Grund an, weshalb Menschen so etwas sagen. Hier findest Du die ersten beiden Gründe (klick).
Bis morgen und liebe Grüße! 🙂
Tina
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