Das sagte eine Kundin heute zu mir. Das Gefühl, nicht genug zu arbeiten, hält sie davon ab, sich einen halben Tag in der Woche frei zu nehmen (den Sonntag hat sie frei, wohlgemerkt, darauf achtet ihr Mann :-)).
„Als Angestellte hatte ich mehr Freizeitgefühl“, meinte sie.
Woran liegt das?
Das liegt daran, dass die Arbeit als Selbständiger so anders ist als die eines Angestellten:
- Wir haben Aufgaben, die zu der eigentlichen Arbeit dazu kommen: Rechtsfragen, Finanzen, Steuern, Organisation. Die oft auf uns lasten und die wir vor uns her schieben, weil wir nicht wissen, wie die richtige Antwort auf diese fremden Themen lautet.
- Wir bilden uns fort in Sachen Hund und schauen, was am Markt passiert – was Mitbewerber so machen, was Fachzeitschriften schreiben. Notwendig, um den Anschluss zu behalten.
- Wir haben flexible Arbeitszeiten – ein Segen und ein Fluch. Keiner sagt uns, wann wir morgens zu starten haben. Es gibt in der Regel kein Büro, das wir irgendwann verlassen und damit die ganz offizielle Legitimation haben, uns JETZT in unserer Freizeit zu befinden.
- Es gibt niemanden, der sagt: „Nun ist gut. Es reicht, mach Schluss für heute.“ (Außer man hat eine tolle Familie. Gut, wenn man als Angestellter einen blöden Chef hatte, hat das auch niemand gesagt, stimmt. ;-))
- Man könnte immer noch mehr tun. Die neuen Termine einstellen, Bilder hochladen, sich eine Aktion für die Kunden ausdenken, auf Facebook posten, ein neues Angebot entwickeln, Mails schreiben, Kunden in die Datenbank aufnehmen, ein Backup machen. Es hört nicht auf, die To Do-Liste lässt sich leicht endlos ausweiten.
- Wir vermarkten uns selbst und sagen laut, dass wir gut sind indem, was wir tun. Und zwar lauter und präsenter, als wir dies als Angestellte tun (müssen). Dort bekommen wir das monatliche Gehalt, hier sind wir von Kunden abhängig, die mitbekommen müssen, wenn wir unsere Leistung anbieten.
Neben diesen Fakten, die leicht zu belegen sind, ist es aber auch ein anderes Gefühl, als Selbständiger zu arbeiten. Irgendwie arbeitet man immer. Und hat doch den Eindruck, wenig zu schaffen. Die Zeit vor dem PC wird ein Gemisch aus Facebook, Mails, Rechnungen, Post, Webseite updaten, hier was Interessantes lesen, dort etwas Marketing – von allem ein bißchen. Und am Schluss sieht man nicht, was man getan hat. Es ist selten (im ursprünglichen Sinne des Wortes: mit den Händen) greifbar, was wir getan haben. Wenn wir uns dann nach einer Arbeitseinheit fragen, wie viel davon „wirklich“ Arbeit war und wie viel Rumgedaddel, dann fühlt es sich so an als hätten wir sehr wenig getan. Und die To Do Liste sieht danach auch nicht groß anders aus als vorher.
Nun mal Butter bei die Fische:
- Für Viele ist dieses Rumgedaddel (Facebook, rumsurfen, hier und dort reinlesen) Entspannung. Sie fühlt sich nur hinterher nicht so an. Vielmehr wird sowohl die Entspannung als auch das produktive Arbeiten „befleckt“ – weil man ja nichts von beidem „Richtig“ gemacht hat. Weder das Eine genossen noch das Andere konzentriert und bewusst ausgeführt.
- „Langes Arbeiten ist fleißig.“ Das hat uns irgendjemand beigebracht Und oft läuft es auch so in Unternehmen ab: Wer am längsten da ist, wird am meisten bewundert. Müsste nicht der bewundert werden, der nach vier Stunden gehen kann, weil er seinen Job so gut organisiert hat und so gut arbeitet, dass er dann schon fertig ist?
- Was ist das eigentlich für eine To Do-Liste? Wer hat die geschrieben? Und wer sagt: „Das muss ich heute unbedingt noch machen?“ Frag mal bitte weiter: Was passiert denn, wenn Du das heute nicht machst? Und morgen auch nicht? Sondern erst nächste Woche? Welches Drama findet dann statt?
- Woher kommt der Glaubenssatz:
“ Ich darf erst Freizeit machen, wenn ich acht Stunden konzentriert gearbeitet habe?“
1. Als Angestellter arbeitet niemand konzentriert 8 Stunden durch.
2. Diese Glaubenssätze (Überzeugungen, Maximen) sind uns oft von früheren Generationen vorgelebt worden. Und haben meist nicht mehr viel damit zu tun, wie heute das Leben abläuft.
3. Wer bestimmt, was zu tun ist? Du.
Wer sagt, was wichtig ist? Du.
(…und manchmal das Finanzamt. Aber sonst niemand.)
Was ist das wichtigste Kapital Deines Unternehmens? Du.
Wozu nehmen wir uns denn Freizeit und wozu arbeiten wir?
Ist die Freizeit eine Belohnung für produktives Arbeiten?
Lass Dir diesen Satz mal auf der Zunge zergehen…
Merkst Du, wie skurril dieses Denken ist?
Ist es nicht vielmehr so, dass die Arbeit den Sinn verfolgt, uns die Freizeit und das Leben zu ermöglichen, was wir möchten? Das bedeutet: Wir arbeiten nicht, um eine bestimmte Zeit produktiv zu sein und dann ein gutes Gewissen zu haben. Wir arbeiten, um damit Geld zu verdienen.
Folglich geht es also darum,
- die eigene Arbeit gut zu priorisieren, damit wir das Richtige tun = effektiv sind.
- die eigene Arbeit gut zu organisieren, damit wir die Dinge richtig tun = effizient sind.
Und dabei nicht vergessen, dass wir unser Unternehmen sind. Und selbst zu pflegen, uns Gutes zu tun, die Akkus aufzuladen, zu lachen und die Seele baumeln zu lassen, ist unsere vornehmste Pflicht als Selbständiger. Nur dann bleiben wir langfristig gut in dem, was wir tun.
Und was macht meine Kundin? Der Donnerstag ist nun „Ihr Tag“. Sie widmet sich an diesem Tag Dingen, die Ihr gut tun und Ihr ein gutes Gefühl geben. Vormittags macht sie Büroarbeit, was ihr Unternehmen (und damit sie) voran bringt und ihre To Do-Liste verkürzt. Mit diesem schönen Ergebnis kann sie dann den Nahmittag nur für sich nutzen – ohne Hundebücher, Fachzeitschriften und das Internet. Die Gedanken mit etwas Neuem beglücken. Und ja – das will eventuell etwas geübt werden.
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