„Projektion ist das Verfolgen eigener Wünsche in anderen.“, sagt Sigmund Freud.
Oder eben auch der eigenen Ängste und Sorgen.
Zu den Feiertagen duften sich alle mal wieder auf engsten Raum mit lieben Familienmitgliedern und Verwandten wiederfinden. Den einzigen Personen in seinem Leben, die man sich nicht aussuchen darf.
Man WEIß ja inzwischen, wie diese Menschen oft zu den eigenen Plänen der Selbständigkeit in der Hundebranche stehen. Und nimmt sich vor, nicht zu viel darüber zu erzählen, sich auf keine Diskussion einzulassen und kritische Kommentare an sich abprallen zu lassen. Es ist schließlich schon ohne dieses energie-ziehende Verhalten schwierig genug, den Alltag als Einzelunternehmer / Allein-Selbständiger zu bestreiten. Und dann kommen diese betont neutralen Fragen, bei denen der mit Gewalt abgerungene sachliche Tonfall das sorgenvolle Stirnrunzeln dennoch nicht verbergen kann:
„Und…? Wie läuft es mit Deiner Selbständigkeit…?“
„Och, ganz gut. Es macht viel Spaß und entwickelt sich eigentlich ganz okay.“
„Aha, das ist ja schön… Was machst Du nochmal genau…?
„Ich betreue Hunde von anderen Menschen, wenn die keine Zeit haben, sich um sie zu kümmern.“
„Ach ja, genau. [Pause] Und… davon kann man leben….?“
„Ja, das geht schon…“
„Aber – Du weißt doch gar nicht, ob diese Menschen langfristig Interesse an Deinem Angebot haben. Und Du musst doch die Miete reinbringen und die Rate für Dein Auto abbezahlen. Und hast Du Dich schon um Deine Altersvorsorge gekümmert…?“
Was passiert denn da? Nun ja, zum einen ist es sicherlich die ehrlich gemeinte Sorge, dass es Dir gut geht und Du keine finanziellen Nöte hast. Und ja, das ist ja auch nicht unberechtigt. Dass einem das in keiner Weise weiterhilft, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wenn wir ehrlich wären, würden wir in diesem Moment sagen: „Weißt Du, diese Sorgen habe ich auch. Und in manchen Wochen es ist verdammt knapp auf meinem Konto. Aber ich mache einen richtig guten Job und bin sehr zuversichtlich, dass sich das gut entwickelt. Deine Sorge verstehe ich, aber was ich von Dir wirklich bräuchte, ist Zuspruch, Unterstützung, Zuversicht (!) und ehrliches Interesse, wie ich meine Selbständigkeit weiter entwickeln kann.“
Die lieben Verwandten fassen die eigenen Sorgen ja nur in Worte und haben auch durchaus Recht damit. Und was bringt das? Im besten Falle schlechte Laune und das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Im schlimmsten Falle Selbstzweifel, Hemmungen und ein vorsichtiges Herumtasten als Selbständiger anstatt mutig voranzugehen – was zwingend notwendig ist, um von der Selbständigkeit entspannt leben zu können.
Fast noch schlimmer sind die so genannten Freunde, oft Relikte aus dem früheren Leben, von denen man noch nicht gemerkt hat, dass sie gar nicht mehr zu einem passen.
Die man kennen gelernt hat, als noch jeden Monat das Gehalt auf dem Konto landete, man gemeinsam shoppen und Essen ging und in den Kurzurlaub ins Vier Sterne-Hotel fuhr.
Alles Dinge, die jetzt zum großen Teil nicht mehr gehen – und die wir ganz oft auch nicht mehr wollen oder brauchen, weil wir mit dem neuen Leben so viel zufriedener sind und all diese Kompensationshandlungen nicht mehr nötig sind, um uns gut zu fühlen und abzuschalten. Diese Freunde lassen dann Sätze los wie „Aber Du musst doch xyz bezahlen. Wie willst Du Dir das denn dann noch leisten?“
Ja.
Stimmt.
Gar nicht mehr in den nächsten Jahren.
Nur wird das die Freundin aus dem alten Leben nur schwerlich verstehen. Und ganz oft steckt in solchen Fällen nicht nur Sorge dahinter, sondern eben Freuds Projektion: Ganz oft hat das Gegenüber ähnliche Wünsche in sich.
Auszubrechen.
Etwas völlig Anderes zu machen.
Sich nicht mehr jeden Morgen schick anzuziehen, durch den Berufsverkehr zu quälen und freundlich zu Kollegen zu sein, die man bescheuert findet.
Viele würden selbst gerne dem Ticken in sich nachkommen – und erlauben es sich nicht. Könnten nicht mal in Worte fassen, dass sie dieses Ticken in sich haben. Was für eine Ohrfeige, wenn die ehemalige Kollegin, Nachbarin, Bekannte oder Freundin das aber tut und es auch noch funktioniert.
Wenn sie dann wenigstens scheitern würde!
Dann wüsste man ja, dass das eigene Verharren im angepassten Leben die richtige Entscheidung ist. Aber wenn Deine Freundin sieht, dass Du damit „davon kommst“… dass Du davon lebst und zufrieden oder sogar glücklich bist… dann muss sie sich damit auseinandersetzen, dass es einzig und allein ihre Furchtsamkeit ist, die sie davon abhält, den eigenen Träumen nachzuspüren und sie umzusetzen. Dass es funktionieren kann. Auch wenn man dann nicht mehr den Normen entspricht, den eigenen Lebensstandard runterschraubt und sich dafür frei und am richtigen Platz fühlt. Wie schmerzlich! Da ist es doch besser, den Gegenüber runterzuputzen, ihn auf seine vermeintlichen Unzulänglichkeiten (keine neuen Hosenanzüge mehr) hinweist und ihm Sorgen einpflanzt.
Was also tun?
Sich aktiv Menschen suchen, die den eigenen Weg verstehen, einem zusprechen und sich liebevoll mit dem gewählten Weg auseinandersetzen. Denn die Verwandten bleiben und wir können sie nicht ändern. Wir können nur versuchen, uns Kraft, Zuversicht, Ideen und Unterstützung von Freunden, Bekannten und dem eigenen Netzwerk zu holen. Das sind ganz oft andere Selbständige, teilweise Kollegen aus der Branche Hund, teilweise aus ganz anderen Branchen. Du triffst sie auf Netzwerktreffen für Selbständige (einfach mal in Deiner Region googlen), auf Fortbildungen und Seminaren oder in Deinem neuen Wirkungskreis. Und ja, manch alte Freunde passen nicht mehr zu einem und Du solltest Dir überlegen, wie Du damit umgehen möchtest. Oft fällt nach einiger Zeit die Entscheidung, den Kontakt zu verringern oder abzubrechen. Das ist in Ordnung und das Richtige, wenn es bedeutet, dass Du für Dich sorgst. Und das tust Du, wenn Du Dir Menschen suchst, die Deine Werte (das, was Dir wichtig ist) teilen, Dich verstehen, mit Dir sinnieren, Dir Mut zusprechen und lösungsorientiert nachdenken.
Wenn Du nun endlich das Biotop gefunden hast, in dem Du wachsen und gedeihen kannst, bedeutet das eben oft auch, dass Du neue Menschen um Dich hast, die sich dort ebenfalls wohlfühlen.
Und nicht die, die Angst haben, sich die Pumps schmutzig zu machen.
0h Wahnsinn, dieser Artikel ist wieder einmal perfekt und auch ein bischen ein Popotritt bzgl. Ängste. Recht hast Du! Vielen Dank, werde ihn einmal ausdrucken und “unauffällig” liegen lassen… 😉